Meine Kraftquellen entdecken
Im Jahr 2016 ging für mich ein lang gehegter Traum in Erfüllung: In dem Haus, in dem mein Mann und ich ein Orientierungsjahr für junge Leute leiten, konnte ich ein Café eröffnen. Der Besitzer des Hauses stellte mich an und ich durfte zwei Jahre in dieses Projekt investieren. Doch dann fehlten die Mittel und schweren Herzens musste ich es im März 2019 wieder aufgeben.
Erwartungen spielen in unserem Leben eine wichtige Rolle. Wo soll ich „Nein!“ sagen? Wo will ich mich von Herzen darauf einlassen?
Vor ca. 10 Jahren gründeten mein Mann und ich ein Orientierungsjahr für junge Erwachsene, die nach der Schule oder ihrer Ausbildung wissen möchten, wo es beruflich und geistlich hingehen kann. Die jungen Leute können sich bewusst 10 Monate Zeit nehmen, um ihre Persönlichkeit, ihren Glauben und ihre berufliche Zukunft weiter zu entwickeln.
In der Gründungszeit waren unsere vier Kinder zwischen 6 und 14 Jahren alt. Da wir das Orientierungsjahr auf der grünen Wiese gegründet hatten, gab eine Menge Unsicherheiten, ob das Projekt laufen würde. Außerdem hatten wir einen Ortswechsel und die herausfordernden Phasen der Kinder haben mich ganz schön an meine Grenzen gebracht.
Mein Glaube, viele Zusagen von Gott, unsere neue Gemeinde vor Ort und unsere Familien sowie viele Gebete haben mich und auch uns als ganze Familie und Team sehr durch die herausfordernden Startup-Jahre getragen.
Zwei Jahre nach dem Start des Orientierungsjahres begann ich meinen Traum zu leben: Ein eigenes Café zu führen. Bei allen Überlegungen, die Leitung des Cafes zu übernehmen hatten mein Mann und ich auch immer den Eindruck, dass es Gottes Wille sei, bzw. er hat uns nie Steine in den Weg gelegt hat. Und so startete ich zum 01.04. 2016 den Cafebetrieb und war sehr glücklich und erfüllt mit allen neuen Aufgaben.
Aber nach zwei Jahren kam das „Aus“: Der Besitzer des Hauses – und gleichzeitig der Café-Betreiber konnte mich nicht weiter anstellen. Er machte uns zwar ein sehr gutes Angebot – dass wir das Café selbst pachten könnten. Das Risiko war zu hoch und so sagten wir „Nein“.
Und so platzte mein Traum – weil ich NEIN gesagt hatte.
Um das Ganze zu betrauern und innerlich abzugeben, begann ich Gespräche mit einer Therapeutin. Das half mir, langsam die Sache zu verarbeiten.
Außerdem hatte ich kurz nach der Schließung des Cafés die Möglichkeit, auf eine Kur nach Juist zu fahren. Diese drei Wochen der Stille mit langen Spaziergängen am Strand, weit weg von allem, halfen mir enorm. Auch die Zeiten mit Gott alleine waren intensiv und herausfordernd und haben einiges in mir zum Nachdenken gebracht.
Gerade in diesen Zeiten der Stille fragte ich mich: Welchen Erwartungen und Wünschen will ich gerecht werden? Wo darf und will ich Nein sagen? Wo muss ich lernen, mich bewusst zu entscheiden – auch wenn ich andere mit dieser Entscheidung enttäuschen werde? Was macht es mit mir, wenn ich es immer allen Recht machen möchte?
Durch meine Gespräche und manche Bücher wurde mir mein Glaubenssatz immer mehr bewusst: Ich lebte viele Jahre nach den Motto: Mach es allen Recht, mach andere glücklich und dann geht dir gut.
Darum fiel mir das damals überhaupt nicht leicht, dem Besitzer des Hauses zu sagen, dass wir das Café nicht pachten können.
Auch von Gott her wurde mir klar: Wir sollen das Risiko nicht eingehen! Ich stand in einem Zwiespalt: Auf der einen Seite die Erwartungen und Wünsche, die ich nicht enttäuschen wollte – und auf der anderen Seite das Wissen, dass Gott auch ohne das Café einen guten Plan hat.
Ich musste eine gute Balance finden zwischen dem was ich kräftemäßig schaffe und was nicht. Und für ein Café komplett verantwortlich zu sein – neben unserem Orientierungsjahr und der Familie – das wäre zu viel gewesen und meines Erachtens auch nicht Gottes Wille.
Von Natur aus bin ich ein freiheitsliebender Mensch. Ich möchte frei sein, mein Leben so zu führen, wie ich es in Verantwortung vor Gott für gut und richtig halte – und das bedeutet auch, die Erwartungen mancher Menschen zu enttäuschen und „Nein“ zu sagen.
Während des Trauerprozesses und der Beschäftigung mit den Erwartungen und Wünschen habe ich ein geniales Tool gefunden, das mir hilft, eine gute Balance zu finden: Das Kraftressourcen-Modell. Es hilft mir bis heute immer wieder, wenn ich in der Gefahr stehe dauerüberfordert zu sein, wenn ich unzufrieden und unausgeglichen bin. Außerdem hilft es mir zur Bewältigung meines Alltags, wenn ich zu viele Aufgaben übernommen habe – z. b. wenn ich nicht Nein sagen kann.
Dieses Werkzeug unterstützt mich beim Selbstmanagement und stärkt die Resilienz (Selbstfürsorge).
Wenn ich z.B. mit jungen Frauen oder unseren Teilnehmerinnen des Orientierungsjahres Coachinggespräche führe, merke ich immer wieder, dass wir Frauen oft an den Punkt kommen, an dem wir versuchen, allen Erwartungen gerecht zu werden. Wir können viel, setzen uns vielleicht in der Gemeinde ehrenamtlich ein und erhaschen uns dadurch u.U. auch eine ungesunde Anerkennung.
Aber dieser Kreislauf aus Erwartungen – großer Einsatz – Anerkennung usw. ist sehr gefährlich, weil er oft mehr Kraft zieht, als er gibt.
Praktische Anleitung für das Kraftressourcen-Modell
![](https://dein-lebenstraum.com/wp-content/uploads/2023/12/grafik-1.png)
Trage in das Schaubild ein, was dir Kraft gibt – und was dir Kraft nimmt.
Folgende Fragen können dir dabei helfen:
Tätigkeit (Arbeit / Haushalt / etc.)
Ressourcen (+) :
- Was muss an deinem Tätigkeitsplatz (Arbeit, Haushalt…) passieren, damit Du zufrieden in den Feierabend gehst?
- Welche Tätigkeiten in diesem Bereich liegen Dir besonders?
- Welche Gelegenheiten begünstigen einen für Dich guten Arbeitsplatz?
Stressoren (-):
- Wann reagiert Dein Körper unruhig auf der Arbeit?
- Was tust du immer mal wieder, obwohl es dir nicht guttut?
Bereich Familie
Ressourcen:
- Welche Dinge magst Du besonders im familiären Umfeld?
- Welche Dinge würden dir fehlen, wenn du alleine wohnen würdest?
Stressoren:
- Was lässt dich im familiären Umfeld unruhig werden, was verursacht Stress?
Bereich: Zeit für mich
Ressourcen:
- Womit beschäftigst Du Dich am liebsten in deiner ganz persönlichen freien Zeit?
- Welche Dinge tust Du regelmäßig nur für Dich, die dir Kraft geben?
Stressoren:
- Wann bist du unzufrieden nach einem freien Tag?
- Welche Handlungen oder Unterlassungen anderer lösen bei dir Unzufriedenheit aus?
Bereich: Menschen
Ressourcen:
- Welche Menschen sind dir wichtig und was tust du gerne mit ihnen?
Stressoren:
- Wann magst Du keinen Kontakt mehr mit einer Person haben?
- Welche Dinge stressen dich, wenn Du mit anderen Personen zusammen bist?
Bereich: Körperlicher Ausgleich
Ressourcen:
- Was ist Balsam für dein körperliches Wohlbefinden?
- Was ist Balsam für dein geistiges Wohlbefinden?
Stressoren:
- Was muss passieren, damit du dich körperlich zerschlagen fühlst?
- Was tust Du selbst, obwohl du weißt, dass es deinem Körper nicht guttut?
Bereich Schätze
Erarbeite (maximal 5) weitere Ressourcen
- Was hast Du lange nicht mehr gemacht, was Du aber gern mal wieder tun würdest?
- Was hat dir früher in anstrengenden Zeiten gut getan?
- Was würden Dir deine Geschwister, Freunde oder Eltern, Partner raten zu tun, was Dir schon früher guttat?
Übertragung in das Kraftressourcen Barometer
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- Was soll als Erstes umgesetzt werden?
- Wann ist das möglich?
- Wie realistisch sind die erarbeiteten Ziele im Kraftressourcen – Barometer?
Wichtig: Die Kraftressourcen in den verschiedenen Bereichen können sich ausgleichen.
D.h. wenn ein Bereich zeitweise viele Stressoren mit sich bringt und hier wenige Ressourcen aktiviert sind – dann können die Gesamtkräfte gestärkt werden, wenn in einem anderen Bereich (z.B. Familie) Ressourcen aktiviert werden.
So kann ein Bereich u. U. eine Zeitlang einen anderen Bereich ausgleichen.
Wozu dient das Kraftressourcen-Modell?
Das Kraftressourcen-Modell dient vor allen Dingen zur:
- erfolgreichen Bewältigung des Alltags mit steigenden Anforderungen in den verschiedenen Lebensbereichen
- wiederherstellung der Work-Life-Balance
- Resilienz gegen zukünftigen Stress (Erkennen der eigenen Ressourcen und Stressoren)
Wichtig: Die Kraftressourcen in den verschiedenen Bereichen können sich ausgleichen.
D.h. wenn ein Bereich zeitweise viele Stressoren mit sich bringt und hier wenige Ressourcen aktiviert sind – dann können die Gesamtkräfte gestärkt werden, wenn in einem anderen Bereich (z.B. Familie) Ressourcen aktiviert werden.
So kann ein Bereich u. U. eine Zeitlang einen anderen Bereich ausgleichen.
Mein Fazit:
Bei allem was ich entscheide, möchte ich zuerst Gott fragen: Herr was ist Dein Wille? Und da will ich sehr feinfühlig sein für die leisen Gedanken Gottes, die er mir ins Herz legt.
Gerade in unserer Welt, in der alles immer schneller, effektiver und besser werden muss, ist es gut auf Gott zu hören, der zu uns sagt: „Lebe in meiner Ruhe, in meiner Gegenwart und wenn du mit mir verbunden bist bekommst Du die Kraft die du für diesen Tag brauchst.“
An Jesus können wir uns hier ein Beispiel nehmen: Er hat in seinem vollen Alltag bei allen Erwartungen die die Menschen an ihn hatten, immer wieder die Ruhe bei seinem Vater gesucht. Und da will ich immer mehr von Ihm lernen.
Autorin: Hanna Münch, Leitung von Lebenstraum
Dieser ARtikel erschien leicht gekürzt zuerst in der Zeitschrift Lydia 4-2023